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Diese unendliche Lücke

07.11.2017
Bettina Augustin

Alles erreicht und trotzdem das Gefühl, im System gefangen zu sein? Prozesse verbessert, Qualität gesteigert, Veränderungen gemanaged, Gewinne gesteigert und dann die Frage, was kommt jetzt? Viele Manager stellen sich selbst nach erfolgreichen Jahren immer wieder die Sinnfrage. Wozu bin ich da? Was sind meine nächsten Ziele? Wie kann ich noch weiter wirksam sein, ohne immer im selben Programm stecken zu bleiben, ohne einfach nur in alten Mustern zu funktionieren? Einfach in andere Unternehmen zu wechseln, ändert oft nur die Kulisse.

 
Viele Manager wollen mehr bewirken, als nur den Erfolg des Unternehmens voranzutreiben. Sie wollen Veränderung auf anderer Ebene, wenn auch oft unbewusst. Es kommt der Punkt, dass sie nicht mehr nur noch an den Ergebnissen gemessen werden wollen. Die Betonung liegt auf »nicht nur«. Klar ist, dass die Ergebnisse wichtig sind. Hier geht es um das Was. Was habe ich erreicht? Das Was ist vorzeigbar, kann man anfassen, kann man messen? Aber weshalb reicht dies vielen nicht mehr?

Grenzen sprengen

Oft gibt es eine Lücke, etwas, das fehlt, etwas, das noch nicht Zufriedenheit oder gar Leidenschaft für das erzeugt, was getan wird. Dies wird zu selten thematisiert und zu selten befragt. Noch immer gibt es bei vielen Managern das Paradigma: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Diese Haltung führt dazu, dass ein ganz wesentlicher Anteil des Menschen, oder vielleicht auch eines ganzen Unternehmens, amputiert wird. Sein Geist. Die Vision ist vielleicht die Substanz, die diese Lücke, diese definierte und salonfähig gewordene Sinnentleerung, füllen kann. Hier darf ich groß denken, hier darf ich Grenzen überschreiten, hier bekomme ich ein Gefühl dafür, was noch in mir steckt, und wozu ich noch da sein könnte. Das erst kann Grenzen sprengen. So erst kann ich wachsen. Und dafür sind wir alle im Ursprung angetreten.

Wozu das Ganze?

Als Mensch sind wir dafür veranlagt, schöpferisch zu sein, die Welt zu verändern. Aber dieser schöpferische Impuls wird oft ausgebremst durch die Systeme, in denen wir arbeiten und leben. Zu sehr sind Menschen auf das Was getrimmt. Allein das Was kann aber noch nicht zufriedenstellen. Apple hat es vorgemacht. Das Urmotiv: Das »Wozu sind wir da?«, wurde nicht aus dem Produkt (also dem Was) geboren, sondern war die klare Vision: Wir wollen den Status der Informationstechnologie in der Welt verändern. Das war es, was Steve Jobs angetrieben hat. Nicht in erster Linie Geld verdienen. Das kam am Ende automatisch. Auf dem Boden dieser Vision, die alles Handeln und Denken durchdrungen hat, kam die Frage nach dem Wie? Wie machen wir das? Apple beantwortete diese Frage damit, dass die Funktionen einfach sein müssen, leicht zu bedienen und ein gute Lebensgefühl geben sollen. Erst vor diesem Hintergrund wurden die Produkte entwickelt, immer eingebettet in das Wozu und das Wie. So verkaufte Apple bei nahezu allen Produkten ein Lebensgefühl mit. Oder vielleicht sogar in erster Linie ein Lebensgefühl.        

Sinn in die Arbeit

Man muss nicht Apple sein, um sofort anfangen zu können, Sinn in die Arbeit zu bringen. Was treibt Menschen an, in einem Unternehmen zu arbeiten, außer, den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen? Sie wollen sich verwirklichen, sie wollen in ihren Kompetenzen erkannt werden und sie wollen sich entwickeln können. Aber die Kultur vieler Unternehmen hält diese Urbedürfnisse in Schach. Wann wird ein Mitarbeiter schon mal gefragt: »Was kannst du besonders gut? Worin willst du wirksam sein. Wann macht Arbeit für dich Sinn? Und warum arbeitest du für uns?« Das Gegenteil ist der Fall. Menschen werden gemanaged, bestimmt, gesteuert, angepasst, kontrolliert, dazu geholt, gefeuert, je nachdem, wie es gerade dem Ergebnis nutzt. Aber wo bleibt da der Mensch? Außer seiner Funktion innerhalb eines bestimmten geforderten Rahmens wird kaum etwas von ihm sichtbar. Angst ist ein Treiber, der dazu führt, dass viele Menschen sich diesen Systemen förmlich ergeben.

Wenn man wüsste

Siemens prägte den Satz: Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß. Das trifft sicher auf die allermeisten Unternehmen zu. Um diese Quelle zu erschließen, braucht es eine andere Kultur. Es geht nicht darum, das Unternehmen zu operieren, sondern – um auf dieser Sprachebene zu bleiben – darum, es zu heilen. Operieren heißt, wegschneiden, hinzufügen, austauschen. Heilen heißt, die Energie zu nutzen, die im System bereits vorhanden ist.

Fuck Up Days

Das ist die Energie für Entwicklung. Entwicklung geht niemals linear. Deshalb braucht es z.B. eine Fehlerkultur, die das Gefühl des Scheiterns abbaut und der Erkenntnis Raum schafft, dass Fehler, Probleme Quellen sind, Schätze sind, die uns zeigen können, wo es weitergeht. Otto Versand hat dafür die sogenannten Fuck Up Days eingeführt. Hier wird nicht über Erfolge geredet, sondern darüber, was nicht gelungen ist. Immer vor dem Hintergrund, dass sich gemeinsame Problemlösungsprozesse anschließen. Aber Fehler werden hier als normal betrachtet, als Quelle für Entwicklung.

Einsame Entscheidungen

Transparenz in der Kommunikation ist der Schlüssel, der das Erwachsensein ausmacht. Wie viel Informationen, die notwendig wären, um die Arbeitsgrundlage zu verbessern, werden den Mitarbeitern vorenthalten. Mangels dessen wird viel spekuliert, interpretiert und Widerstand aufgebaut. Die allermeisten Ideen der Mitarbeiter kommen in gewohnt unendlich langen Entscheidungszyklen, für die oft aufwendige Präsentationen erstellt werden müssen, erst gar nicht beim oberen Management an. Dies ist nämlich mit anderen Dingen beschäftigt. Mit aufwendigen, oft ineffizienten und ermüdenden Meetings, in denen oft nur das Ego der jeweiligen Präsentatoren gepflegt wird. Mit Entscheidungen und Lösungen, die an den Mitarbeitern vorbeigehen, weil diese nicht gefragt werden.

Die Natur gestaltet anders

Hier könnte sehr viel mehr Sinn geschaffen werden auf allen Ebenen. Die Natur macht es uns vor: Nirgendwo wird man hier Gestaltungsformen finden, die ausschließlich von einem Organ oder einer Zelle gesteuert werden. Rein pyramidale Machtstrukturen dienen nur ganz wenigen. Sinnhaft wird das Arbeiten für viele Menschen erst dann, wenn sie sich mit ihrem ganzen Menschsein einbringen können und nicht nur nach Anweisung und Kontrolle funktionieren müssen. Wie viel mehr Sinn könnte auch für Topmanager entstehen, wenn es ihnen gelänge, das Unternehmen zu einem Ort der Entwicklung, nicht nur im Sinne von Unternehmenswachstum, sondern auch im Sinne der Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeiter zu machen? 

Wie das konkret aussehen könnte, lesen Sie im nächsten Blogbeitrag.

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