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Kurze Schlüsse, lange Leitung

12.09.2017
Bettina Augustin

Eine Entscheidung zu treffen, bedeutet immer an einem Punkt angekommen zu sein, der eine neue Richtung fordert. Vieles ist auf dem Weg bis zu dieser Weggabelung passiert und es gibt viele Möglichkeiten, weiterzugehen. Es geht nicht per se um eine Position in der Hierarchie, die jemanden befugt, Entscheidungen zu treffen, sondern darum, vor einer Entscheidung den Weg und die Zusammenhänge zu erkennen und zu durchleuchten, die zu diesem Punkt geführt haben. Entscheiden zu können ist also kein Privileg, sondern eine Notwendigkeit, eine Wendung, die jede Weiterentwicklung fordert, von jedem, der in der Sache kompetent ist. Da kann man vieles richtig oder falsch machen. In jedem Fall zeigt sich die Qualität von Entscheidungen an den Auswirkungen auf das gesamte System.

 
Eines der größten Probleme, mit denen Unternehmen, und abgesehen davon jeder Mensch in seinem Leben, konfrontiert wird, ist, dass bei vielen Entscheidungen der Gesamtzusammenhang und Überblick verlorengegangen ist. Und es gibt viele Motive, die man überdenken sollte.

Motiv 1: Schnelle Erfolge

Viele Entscheidungen werden aus individuellen, persönlichen und singulären Interessen getroffen, die vielfach nicht einmal wirklich bewusst sind. Weil wir unter fortwährendem Zeit- und Erfolgsdruck stehen, sind Entscheidungen häufig nur auf sehr kurzfristige Scheinwirkungen ausgerichtet. Man muss sich der Gefahr dabei bewusst sein, dass die kurzfristige Ausrichtung massive Nebenwirkungen haben kann. Ähnlich denen in der Medizin. Wenn Symptome einer Krankheit schnellstmöglich durch heftige Medikamente unterdrückt werden, ohne dabei zum eigentlichen Problem vorzudringen, lässt das Symptom zwar kurzfristig nach, das Problem bleibt aber erhalten. Der Arzt war zwar vordergründig erfolgreich, der Patient hat aber keine wirkliche Heilung erfahren. Wirkliche Heilung wird aber nur dann einsetzen können, wenn nicht nur der Arzt das Symptom diagnostiziert und behandelt, sondern der Patient, möglicherweise mit Unterstützung, auch den Weg zur Krankheit erfasst und damit auch die Zusammenhänge und seine Gestaltungsoptionen erkennt und selbstkompetent wird. Ein etwas langwierigerer Weg, aber langfristig nachhaltig stabilisierend.

Motiv 2: Lösungen statt Probleme

Wir leben längst mit einem fragwürdigen Paradigma, das konsequent von vielen Entscheidungsträgern proklamiert wird. »Ich will keine Probleme, ich will Lösungen.« Was damit ausgelöst wird, wird schon allein durch diese Forderung deutlich. Die Problemanalyse gerät vollständig ins Hintertreffen. Antworten auf eine Problemstellung werden downgeloadet und ein völlig unsinniger Ehrgeiz entwickelt, im Alleingang Lösungen herbeizuführen, die nur derjenige selbst verstehen kann, vorausgesetzt, er kennt seine eigenen Denkmuster und Überzeugungen. Zum Beispiel »Die Leute sollen arbeiten, nicht denken«. Die Grundlage für eine gute Lösung und damit auch Entscheidung ist aber, das Problem in der Tiefe zu erfassen, die Einflussfaktoren, die einen bestimmten Zustand erzeugt haben, zu analysieren und auf dieser Basis eine Wendung einzuleiten, die zu einem nachhaltig verbesserten Zustand führt. Dazu braucht es gerade die anderen, die unterschiedliche Sichtweisen auf das Problem beitragen können und am besten auch diejenigen, die in der Lage sind, mal querzudenken und sehr häufig aus ihrem Nonkonformismus heraus ein hohes Gespür dafür entwickeln, wo das System krankt. Das führt direkt zum nächsten Motiv.         

Motiv 3: Antworten

Entscheidungsträger fragen oft nicht, weil ihnen das als Schwäche ausgelegt werden könnte. Eine wirkliche Frage kennt nicht bereits eine insgeheime Antwort. Viele Fragen dienen aber ausschließlich der Überprüfung, ob das Meinungsbild des anderen mit dem eigenen übereinstimmt. Ist das nicht der Fall, wird die Antwort des anderen in eine Schublade gesteckt oder schlicht und ergreifend ausgeblendet oder gar abgewertet. Fragen sollten grundsätzlich den Charakter haben, etwas wirklich grundsätzlich infrage zu stellen und nicht bereits den altbekannten Bewertungsfilter einzusetzen. Zum Beispiel: »Wir sind Techniker, keine Psychologen.« Das hört man häufig, wenn es etwa um Produktivitäts– oder Qualitätsprobleme geht.

Motiv 4: Fehler sind böse

Oftmals übersehen Entscheidungsträger, dass sie selbst Teil des Problems sind. Das würde nämlich darauf hinweisen, dass sie Fehler machen. Auch wenn allenthalben viele Lippenbekenntnisse für eine offene Fehlerkultur ausgesprochen werden, sind Fehler in den meisten Unternehmen immer noch ein Tabu und werden explizit oder implizit bestraft. Menschen werden abgewertet oder ganz konkret bekommen sie ihre Boni gekürzt, wenn sie nicht die gewünschte Leistung erbringen. Das Sichtbarmachen von Fehlern ist allerdings die Quelle, durch die das Unternehmen am allermeisten lernt. Wenn Führungskräfte Fehler machen und diese auch zur Diskussion stellen, sind die allermeisten Menschen gewillt, zu helfen und dankbar, etwas zur Lösung aus ihrem Wissen und ihrer Kompetenz beitragen zu können, damit etwas besser werden kann. Statt undurchsichtigen Entscheidungsinstanzen ausgeliefert zu sein, werden sie gebraucht. Ihre Arbeit bekommt Sinn und ihre Potenziale werden genutzt. Und es ist eine Illusion, dass es Menschen gäbe, die keine Fehler machen, auch nicht kraft Amtes. Eine gute Entscheidung ist meistens ein kooperativer Vorgang, der Fehler und Kompetenzen gleichermaßen respektvoll einbezieht.

Motiv 5: Keine Zeit

Das Argument, keine Zeit zu haben, und die Tatsache, unter permanentem Zeitdruck zu stehen, verhindert Tiefe und auch neue Gedanken. Die innovativsten Unternehmen leben gerade von denjenigen, die sich Zeit nehmen können, die Dinge kreuz und quer zu denken und dabei, man glaubt es kaum, sehr klar sind. Gute Intuitionen brauchen Zeit, den richtigen Zeitpunkt, Entwicklungsräume und Druckbefreitheit. Das kann dann teilweise auch sehr schnell gehen. Zeitdruck erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass immer aus denselben Überzeugungen heraus geantwortet wird. Einstein sagte schon, dass so keine Probleme gelöst werden können. Und dabei verliert man erheblich Zeit und verpasst Chancen. So lassen sich echte Probleme nicht lösen und gute Entscheidungen werden unwahrscheinlich. Zeitdruck lässt sich minimieren, indem andere Quellen einbezogen werden. Das klingt zunächst paradox, da viele Meetings extrem ineffektiv verlaufen, doch ist hier Umdenken gefordert. Wir brauchen gute Formen, damit in der Zusammenarbeit nicht nur Rechtfertigungsmechanismen greifen, die rückwärtsgewandt sind (zum Beispiel auf Basis von häufig wenig zielführenden Kennzahlen), sondern initiierende, motivierende Fragen und wesentliche Impulse, damit  sich Räume öffnen, die schöpferisches Mitdenken und damit gute Lösungen freisetzen können. Das spart Zeit.

 

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