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Richtig verdienen

02.07.2017
Bettina Augustin

Ja, es stimmt. Zurzeit geht es unserer Wirtschaft in Deutschland so gut wie noch nie. Die Bedingungen, schnelle und kurzfristige Gewinne zu maximieren, sind besser denn je. Aber in dem Maße, wie es der Wirtschaft gut geht, geht es den in den Unternehmen arbeitenden Menschen schlechter. Wirtschaftliche Erfolge werden durch gute Marktentwicklungen und geschicktes Finanzengeneering gesichert und gleichzeitig wird oft übersehen, wie viele Chancen vergeben werden, wenn man sich nicht auch auf diejenigen konzentriert, die letztlich die Arbeit tun. Es gibt erschreckende Zahlen, die im Engagementindex des Marktforschungsunternehmens Gallup veröffentlicht wurden: 15 Prozent der Beschäftigten in Deutschland haben innerlich gekündigt, 70 Prozent machen Dienst nach Vorschrift, was insgesamt einen volkswirtschaftlichen Schaden allein in Deutschland von jährlich 105 Milliarden Euro ausmacht.

Große Konzerne können kraft ihrer Marktmacht vieles davon noch gut kompensieren. Mittelständische Unternehmen spüren die Auswirkungen auf die Gesamtleistung schon viel massiver. Tatsache ist, dass Mitarbeiter oder Führungskräfte, die innerlich gekündigt haben, nicht so einfach ausgetauscht werden können. Bessere zu rekrutieren, ist vor allem für mittelständische Unternehmen weitaus schwieriger, denn sie können sich die in größeren Konzernen üblichen Personalrochaden gar nicht leisten. Die Opportunitätskosten für jeden verlorenen Mitarbeiter, gleich ob er noch im Unternehmen verbleibt oder geht, sind gewaltig.

Und der Mensch?

Aber unabhängig von den rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten müssen wir uns Gedanken machen, was da eigentlich in den Unternehmen in Bezug auf den Menschen passiert? Überall wird inzwischen von der sogenannten VUKA-Welt gesprochen, was für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität steht. Nichts scheint mehr stabil zu sein in einer Umgebung, die durch unaufhaltsame Trends, wie z.B. Digitalisierung und viele andere rasante technologische aber auch politische Entwicklungen geprägt ist. Stündlich ändern sich Entscheidungsvoraussetzungen und Kompetenzanforderungen, vieles kann nicht mehr auf Halde vorgeplant werden. Es bleibt auch kaum noch Zeit, sich auf Kollegen oder Führungskräfte einzustellen, da auch deren Verbleibezeit oft sehr befristet ist.

Wenn nichts sicher ist, sind Menschen oft gar nicht mehr bereit, überhaupt Beziehungen aufzubauen, weder Führungsbeziehungen, noch andere Vertrauensbeziehungen, die eine gute Zusammenarbeit sicherstellen können. Aber genau davon lebt ein Unternehmen.

Atomisierung der Arbeit

Das ist dann auch der Nährboden für immer stärkere Diskrepanzen zwischen oberem Management und Belegschaft. Weil Entscheidungen ohne Transparenz und auch oft ohne eine verstehbare Logik getroffen werden, koppeln sich Mitarbeiter und Führung voneinander ab. Management und Mitarbeiter aber auch die Kollegen aller Ebenen verstehen sich nicht mehr oder verstehen nichts mehr, machen ihr eigenes Ding und atomisieren so die Arbeit, anstatt genau das Gegenteil zu tun, nämlich immer das Ganze im Auge zu behalten und ein funktionierendes Gesamtgefüge zu schaffen, indem jede einzelne Zelle ihre Aufgabe im Sinne des Ganzen kennt.
Wenn Komplexität so stark wächst und unübersichtlich wird, fällt es natürlich schwer, sich überhaupt noch zu konzentrieren. Ein weiteres Glied in der Kettenreaktion ist, dass Vertrauen verloren geht und die Mitarbeiter sich der Wahrnehmung entziehen, möglichst unauffällig und angepasst arbeiten und damit garantiert NICHT notwendige Entwicklungen vorantreiben werden, auch wenn sie diese erkennen sollten.

Keine Wahrnehmung

In vielen Fällen kennen die Vorgesetzten ihre Mitarbeiter auch nicht mehr. Sie beobachten nur noch Kennzahlen und KPIs. Aber wie die Person arbeitet, wo die Kompetenzen und Potenziale sind, wo Entwicklungsbedarfe sind, ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Es interessiert oft auch nicht. Der Mitarbeiter wird nicht geführt, sondern entweder nur auf Basis seiner Ergebnisse kontrolliert oder völlig alleingelassen.
Die Konsequenzen sind so gut wie immer in den harten Fakten zu spüren. Schlechte Qualität, enorme Verschwendung, hoher Krankenstand und das Ausbleiben des gewünschten Erfolgs.
Bei aller Instabilität, mit der inzwischen jeder von uns umgehen muss, ist es von größter Bedeutung, da wo es möglich ist, Verlässlichkeit, Transparenz, Nachhaltigkeit, Glaubwürdigkeit, echte Wertschätzung und Respekt, vielleicht auch mal Liebe zu zeigen. Der Mensch hat ein Grundbedürfnis nach Sinnerleben und Mitgestaltung. Er will sich entwickeln und muss lernen dürfen, dazu sind wir letztlich alle angetreten. Wenn das nicht geschieht, wird der Mensch oder die Organisation früher oder später krank.

Lippenbekenntnisse reichen nicht

Nachhaltigkeit kann dann entstehen, wenn man wirklich hinhört, was gebraucht wird, was der andere zu sagen hat, welche Ressourcen und Potenziale in ihm liegen, welche Probleme und Konflikte das System belasten. Dann sollten allerdings nicht nur Lippenbekenntnisse formuliert werden, sondern sollten Bedingungen geschaffen werden, damit sich wirklich etwas ändern kann. So kann wieder echte Motivation für die Arbeit entstehen und auch die Identifikation mit dem Unternehmen und dessen Zweck stattfinden. Dafür müssen Räume geschaffen werden und Zeit zur Verfügung stehen. Dann besteht Hoffnung, dass für die Zusammenarbeit in alle Richtungen notwendige, gute Beziehungen aufgebaut werden. Und damit kann man richtig Geld verdienen, denn hört man bei den Beziehungen auf und tut nichts für die Kultur im Unternehmen, ist die Leistungsschwelle auch erreicht.

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