stairMagazin

ausgabe #005

Zeit

Auf die Plätze, fertig, los! Vom Umgang mit Zeit im Unternehmen

Unternehmen wollen wachsen – noch immer. Um dies sicherzustellen, soll alles schneller gehen. Auf die natürliche Grenze der Beschleunigung und der damit verbundenen unumgänglichen Stauungen, stößt inzwischen fast jedes Unternehmen. Denn was schneller wird, ist auch anfälliger für Fehler. Auch die Koordination verschiedener Abläufe wird unverhältnismäßig schwieriger. Wir akzeptieren es schon fast als Selbstverständlichkeit, dass Vereinbarungen nicht mehr punktgenau erfüllt werden. Die Liefertermintreue liegt bei zahlreichen Unternehmen unter 50 Prozent. Das fordert Umdenken. Ein neuer Umgang mit der Zeit. Intensivierung, Vertiefung, volle Verantwortung. Das schafft Zeitgewinne und Verlässlichkeit.

Fragen aus dem stairAlltag

Intensität ist Zeitgewinn

Wir haben keine Zeit, unsere Prozesse sauber zu steuern. Immerzu sind wir am Improvisieren. Wir kriegen zwar alles immer gerade noch irgendwie so hin, aber eigentlich unter erheblichem Zeitdruck.

stairconsult: Die Konsequenzen des Umgangs mit der Zeit zeigen sich besonders markant im Prozessmanagement. Prozesse sind reine Zeitqualitäten. Wenn ich an irgendeiner Stelle den Prozess beschleunige, ohne das aber mit anderen Prozessabschnitten zu koordinieren, entsteht Überproduktion und Verschwendung von Ressourcen. Umgekehrt gilt es genauso: Wenn ich zu langsam arbeite, obwohl mein Nachfolger meine Arbeit zügiger braucht, also in anderen rhythmischen Abständen, dann entstehen Verzögerungen, Leerlaufzeiten. Beides wird teuer.

Es kommt darauf an, im Prozessmanagement die richtigen Rhythmen zu finden, um so wenig Verschwendung wie möglich und ein möglichst effizientes Arbeiten zu garantieren. Dazu muss ich jeweils die Anforderungen und die Bedarfe des anderen kennen. Erst dann kann ich meine Zeiträume sinnvoll gestalten. Dadurch werden wir auch erheblich flexibler.

Eigentlich müssten wir uns klonen, um allen Anforderungen gerecht zu werden, die an uns gestellt werden. Irgendetwas bleibt dann immer liegen. Wie bekommen wir das in den Griff?

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Interview

Zeit klug verlieren

Karlheinz Geißler

Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Zeitpolitik

Karlheinz Geißler

Karlheinz Geißler ist emeritierter Professor für Wirtschaftspädagogik an der Universität der Bundeswehr in München und Zeitforscher. Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Zeitpolitik. Neueste Veröffentlichung: Alles hat seine Zeit, nur ich hab keine, München 2011. Mehr Informationen unter www.timesandmore.com

stairconsult: Herr Geißler, wie lange beschäftigen Sie sich schon mit dem Thema Zeit? Schon eine Ewigkeit?

Karlheinz Geißler: Seit Anfang meiner wissenschaftlichen Laufbahn vor 40 Jahren, als ich begann, mir über die Frage »Wie fängt man an?« systematisch Gedanken zu machen. Ohne Nachdenken über Zeit und den Umgang mit ihr, kommt man dabei nicht viel weiter.

War es verlorene Zeit, wenn man den Umgang mit Zeit heute insgesamt betrachtet?

Nein, Zeit kann man überhaupt nicht verlieren und schon gar nicht, wenn man sich mit ihr beschäftigt. Nur, man kommt dabei zu keinem abschließenden Ergebnis. Man scheitert immer an der Zeit, sonst würde man nicht sterben. Man sollte sich nur bemühen, immer ein wenig besser an der Zeit zu scheitern.

Sie haben in Ihren unzähligen Veröffentlichungen Menschen aufgeklärt über Themen wie Beschleunigung, Entschleunigung, Gleichzeitigkeit. Hat sich denn dadurch irgendetwas geändert?

Was mich selbst betrifft, so versuche ich in meinem Leben mit dem, was ich denke, in etwa mitzuhalten. Die Welt habe ich nicht geändert, aber immerhin habe ich es hinbekommen, dass die Bahn einen ihrer schnellsten Züge, den ICE »Friedrich Hölderlin«, aus dem Programm genommen hat, nachdem ich bei einer Schweizer Tageszeitung fragte, wie viel Kultur man verleugnen muss, um es ertragen zu können, in einen Hochgeschwindigkeits-Zug mit dem Namen Friedrich Hölderlin einzusteigen, wo man doch weiß, dass sich Hölderlin mehr als 30 Jahre nicht aus seinem Wohnort Tübingen fortbewegt hat. Ansonsten hat mich die Zeit mehr verändert als ich die Zeit – ein Schicksal, das ich mit der Mehrheit der Menschheit teile.

Aber hat sich deswegen etwas verlangsamt?

Nein, die Welt ist noch schneller geworden. Geld- und Güterwohlstand und deren Wachstum sind auf Beschleunigung angewiesen. Dass wir's dabei ab und zu übertreiben, zeigt die Finanzkrise. Sehr viel klüger aber scheinen wir dadurch nicht zu werden. Da die überwiegende Mehrheit weiterhin an materiellem Wachstum interessiert ist, werden wir noch schneller werden müssen, wodurch sich die Zeitnot mit vergrößert.

Sind wir dieser Entwicklung machtlos ausgeliefert?

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