stairMagazin

ausgabe #008

Personal Mastery

Der Wert Mensch.
Zwischen Auf- und Abwertung

Wenn es um die Beziehungsgestaltung und damit auch um die Kultur der Unternehmen geht, stehen deutsche Unternehmen vergleichsweise schlecht da. Zu wenig wird der Umgang mit Menschen als wertschöpfender Faktor verstanden. Wichtiger für den Erfolg scheinen nach Ansicht vieler Führungskräfte und Unternehmenslenkern die materielle Ausstattung und die Prozesse zu sein. Eine große Zahl an Mitarbeitern klagen indes über zu wenige eigene Gestaltungsspielräume und rauhe Umgangsformen und verlieren so ihre Motivation. Ohne Motivation bleiben aber auch die nachhaltigen Erfolge aus.    

Fragen aus dem stairAlltag

Nichts schöpfen heißt erschöpfen

Wie können wir unsere Mitarbeiter motivieren, an unseren Zielen intensiver zu arbeiten?

stairconsult: Diese Frage hören wir oft. Wir wollen den Inhalt dieser Frage aber selbst in Frage stellen. Motivieren kann ein Mensch sich eigentlich nur selbst. Führungskräfte können allerdings darauf achten, ihre Mitarbeiter nicht zu demotivieren. Leider ist das Gegenteil häufig der Fall. Zum Beispiel ist die Mobbingrate bei Vorgesetzten am größten, Intransparenz und politische Spielchen sind hier am meisten ausgeprägt. Die Selbstreflexion darüber ist allerdings sehr gering.
Wie demotivierend oder wenig wertschätzend Führungskräfte leider häufig sind, ist den meisten von ihnen nicht klar, weil sie nicht darauf schauen, es von sich weisen oder sogar verteidigen.

Nicht geschimpft ist gelobt genug, ist eine weitverbreitete Devise, aber eine schwere Fehleinschätzung. Man sollte zwar nicht loben um des Lobens willen, aber wenn Menschen etwas gut gemacht haben oder Engagement zeigen, sich mit der Firma identifizieren, warum sollte nicht ein positives Wort das Ganze verstärken? Manchmal bewirken Ermutigungen Wunder. Es besteht kein Zweifel daran, dass Führungskräfte jede Menge Ambivalenzen managen müssen und selbstverständlich auch Probleme aus- und ansprechen müssen. Aber die Probleme werden wesentlich schwerer von demotivierten Mitarbeitern gelöst als von Menschen, die mit einem positiv gefärbten Wir-Gefühl ein schwieriges Gespräch verlassen.

Wenn zu viel kritisiert und geklagt wird, überträgt sich dieses Verhaltensmuster auf andere Kollegen und Mitarbeiter und so verfestigt sich eine destruktive Kultur im Unternehmen. Die reihenweise auf Hochglanz gedruckten Unternehmenswerte, die das Thema Wertschätzung an oberste Stelle setzen, werden Makulatur. Diese negativen energetischen Störungen im Unternehmen sollten aufgebrochen werden, denn sie sind der Grund, warum sich Unternehmen so zögerlich weiterentwickeln.

Müssen Mitarbeiter sich den Launen, unbewussten Emotionen, vielleicht auch noch falschen Glaubenssätzen und Spannungen ihrer Führung unterordnen?

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Interview

Ständig Zwickmühlen managen

Dr. Gunther Schmidt

Arzt, Berater und Leiter des Milton-Erickson-Instituts

Dr. Gunther Schmidt

Dr. Gunther Schmidt ist Facharzt für psychotherapeutische Medizin und Leiter des Milton-Erickson-Instituts Heidelberg. Er leitet die Abteilung systemisch-hypnotherapeutische Psychosomatik der Fach­klinik am Hardberg und die Privatklinik für Psychosomatik und Psychotherapie des sysTelios Gesundheitszentrums.
Die von ihm entwickelten systemisch-hypnotherapeutischen Modelle für Organisationsberatung, Teamarbeit und Coaching tragen wesentlich zu einem intensivierten ressourcenorientierten Beratungsverständnis bei.

Schmidt ist Mitbegründer des Heidelberger Instituts für systemische Forschung und Beratung, der Internationalen Gesellschaft für Syste­mische Therapie (IGST) und des Helm Stierlin Instituts in Heidelberg.

stairconsult: Nur 15 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland gehen anscheinend motiviert zur Arbeit. Alle anderen fühlen sich oft nicht menschenwürdig behandelt, müssen nur noch funktionieren. Ist das nicht erschreckend bei den Anforderungen, denen Unternehmen heute ausgesetzt sind?

Gunther Schmidt: Für mich nicht erschreckend, aber auch nicht schön. Ich gehe davon aus, dass die Ziele und die Funktionserwartung einer Organisation und die der Menschen einfach grundsätzlich unterschiedlich sind. Die Organisation braucht Menschen, aber eher im Sinne, dass sie die Menschen für ihr Überleben nutzt. Der Sinn der Organisation ist ja typischerweise, dass sie überlebt, sich weiterentwickelt und sich eigentlich auch von Personen unabhängig macht.

Wenn sich eine Organisation abhängig macht von Einzelpersonen und diese einmal ausfallen, bedroht das immer das Überleben einer Organisation.
Also ist das Ziel der Organisationslogik immer das, sich – soweit es geht – von einzelnen Menschen unabhängig zu machen. Der einzelne Mensch dagegen hat eine völlig andere Bedürfnisstruktur. Für ihn ist es besonders wichtig, Sicherheit zu haben, Zugehörigkeit zu empfinden, eine einzigartige Bedeutung zu haben oder Wertschätzung zu genießen.

In gewisser Weise steigert er seine Sicherheit dadurch, dass er die Organisation von sich abhängig macht. Deswegen existiert eine widersprüchliche Art von Interessen. Was bedeutet das für den Umgang miteinander?

Diese grundsätzlichen Interessensunterschiede müssen nicht zu Abwertung oder Ausbeutung führen, aber man sollte sie sich bewusst machen. Ich habe zum Beispiel schon oft erlebt, dass Leute über Jahre eng in einem Team in einer gleichrangigen Position zusammengearbeitet haben, zum Teil auch persönlich befreundet waren. Wenn einer von beiden aufsteigt und eine andere Funktion in der Organisation bekommt, fangen plötzlich die Schwierigkeiten an, die zum Beispiel folgendermaßen geäußert werden: »Jetzt zeigt das blöde Schwein sein wahres Gesicht.« Die Freundschaft geht womöglich kaputt. Wenn man genau hinschaut, haben sich die persönlichen Werthaltungen nicht grundsätzlich geändert. Die Funktionserwartungen, die die Organisation an die Leute stellt, haben sich geändert, und dann werden das Persönliche und die Rollenfunktion bei den Betroffenen miteinander emotional vermischt. Hier entwickelt die Organisation die vorrangige Kraft und das Persönliche steht sogar zurück. Das zu managen, halte ich für eine Daueraufgabe in jeder Organisation.

Diese Ambivalenzen führen oft zu unterschwelliger Machtausübung, was der Organisation wiederum auf Dauer schadet. Was muss bei der Unternehmensentwicklung beachtet werden?

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