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Das Ego dürfte eine der größten Herausforderungen unserer Zeit sein. Noch nie war der Bezug zum eigenen Ich so stark ausgeprägt wie aktuell in unserer westlichen Welt. So wichtig die Tatsache ist, sich seiner selbst bewusst zu werden, so ist aber auch die negative Seite des Zentrierens auf sich selbst zum fast überbordenden Problem geworden. Ich zuerst, ist für viele Menschen zur Devise geworden. Daraus resultieren jede Menge neue Probleme, die die soziale Gemeinschaft und Beziehungen massiv belasten, nicht nur, weil wir nicht mehr wirklich in der Lage sind, Sachthemen auch als solche zu behandeln und angemessen zu lösen.   

Fragen aus dem stairAlltag

Umweg in die Stagnation

Wenn wir alle unsere Kompetenzen richtig einsetzen würden, könnten wir wirklich Tolles leisten, stattdessen entstehen immer wieder Spannungen, die wir nicht steuern können. Woran liegt das?

stairconsult: Probleme zwischen Menschen entstehen oft dann, wenn ein Sachthema gelöst werden soll, dabei aber sehr viele persönliche Aspekte, wie Angst, Neid, Geltungsbedürfnis, Harmoniebedürfnis, Machtstreben aber auch persönliche Denkgewohnheiten hineingetragen werden. Dann geht es nicht mehr um das eigentliche Thema, sondern die Persönlichkeit stellt sich ins Zentrum. Das Ego bedient sich der Sache als Vehikel, um sich verwirklichen zu können.

Die eigene Meinung und die eigene Empfindung überlagern jede Problemlösung. Wenn Sachthemen zu persönlich genommen oder mit der eigenen Empfindung vermischt werden, kann es nur schwierig werden. Das Ego nimmt sich dann zu wichtig und Professionalität bleibt auf der Strecke. Klärungen sind fast nicht mehr möglich. Falsche Positionen und Behauptungen werden verteidigt und gerechtfertigt. Damit vertiefen sich die Muster und die negativen Anteile des Egos verhärten weiter..

Wie lösen wir die Probleme, die jeden Tag im Unternehmen anstehen und teilweise ewig hinausgeschoben werden?

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Interview

Klimawandel für das Ego

Herbert Wolpert

Mira – Companions for Development

Herbert Wolpert

Herbert Wolpert, Partner des Beratungsunternehmens Mira – Companions for Development, ist seit 20 Jahren international als Berater und Coach im Bereich der Organisations- und Personalentwicklung tätig. Davor war er 20 Jahre klinischer Psychologe. Bevorzugt arbeitet er in werteorientierten Unternehmen. Aktuell begleitet er acht europäische Hilfsorganisationen bezüglich strategischer Partnerschaft und Entwicklungszusammenarbeit. Er lebt in Neuseeland. 

stairconsult: Wenn wir jetzt über das Ego reden wollen, stellt sich mir natürlich direkt die Frage: Über welches Ego reden wir eigentlich? Über Deines, über meines oder über das der anderen?

Herbert Wolpert: (lacht) Dein Denken und mein Denken und das der anderen sind natürlich bereits unterschiedlich. Das hängt mit unserer Individualität zusammen und hat eine hohe Relevanz in Bezug auf unser Zusammenleben in unserer Geschäftswelt. Deswegen sollten wir klären, was überhaupt das Ego ist. Ego heißt im Griechischen und im Lateinischen zunächst mal nichts anderes als »Ich«.

Wie erlebt der Mensch aber das Ich?

Der Mensch erlebt das eigene Sein besonders in den Ausdrucksformen von Denken, Fühlen und Handeln. Das heißt auch, dass er sein Ich in allem Wahrnehmbaren erlebt. Das ist allerdings sehr unterschiedlich, denn Wahrnehmung ist selektiv und hier beginnt das Individuelle. In der Psychologie bezeichnet man das Ich als Träger der Persönlichkeit, der uns primär bestimmt.
Das ist zunächst mal noch etwas ganz Positives. Ja, das ist noch ganz wertneutral. Im Kontext dieser Fähigkeit, sich als Ich zu erleben, betrachtet sich der Mensch als selbstkompetent.
Wichtig dabei ist, dass dem Menschen das Recht auf Selbstbestimmung zusteht. Das heißt, ich nehme wahr, wie ich bin, erlebe mich als Eigner und Urheber meiner Gedanken, Emotionen und Handlungen. Ich erlebe mich mir zugehörig und habe das Recht, autonom im Leben zu handeln. Dies ist sozusagen die Grundauffassung, zumindest in der westlichen Welt.

Heißt das, dass ein Achtzehnjähriger, weil er volljährig ist, machen kann, was er möchte?

In dieser oft wunderbaren Aufbruchzeit des jungen Erwachsenen nimmt die Entwicklung der Autonomie deutlich zu und damit auch die Fähigkeit, in die Welt hinauszugehen. Aus meiner Sicht gibt es drei Aspekte des Ichs, die im Leben eine große Rolle spielen. Das erste würde ich als das Alltags-Ich bezeichnen, das umfasst, wie ich täglich organisiert bin, kurz gefasst die Tagesform. Der zweite Aspekt beschreibt das Potenzial, das ich in dieses Leben mitbringe. Dieses potenzielle Ich hat das Bedürfnis, sich im Laufe des Lebens realisieren zu wollen.

Darüber hinaus gibt es auch noch einen dritten Aspekt, den ich als den »Gegenspieler« bezeichnen würde. Das ist der Teil in jedem Menschen, der schwierig, dunkel und unterentwickelt ist. Diesen zu transformieren, ist eine der Lebensaufgaben. Er ist oft Ursache von Spannungen und Konflikten. Diese drei Aspekte spielen ineinander.

Deswegen ist das Ich für mich überhaupt keine stabile Größe, sondern eher ein dynamischer, oft unvorhersehbarer Anteil. Wir sind im Alltag mal gekränkt, beleidigt, lustig, rechthaberisch, auf Rückzug, angriffslustig, großzügig, stur, verspielt etc. – insofern haben wir die Möglichkeit, in ganz unterschiedliche Rollen zu schlüpfen. Wir haben viele Pferde im Stall, sie werden gewechselt und manchmal verwegen geritten.

Was meinen wir damit, wenn wir einen Menschen mit einem großen Ego beschreiben?

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