stairMagazin

ausgabe #003

Organisationsentwicklung

Widerstandsfähig durch Krisen

Der konjunkturelle Aufschwung schien noch vor ein paar Wochen kaum aufzuhalten zu sein, die Finanzkrise und die damit einhergehende Absatzkrise scheinen trotz Eurokrise und Staatenpleiten und so manchen weltwirtschaft­lichen Verunsicherungen schon fast wieder vergessen. Einigen Unternehmen gelingt es, die Eigen­kapitalquote wieder zu verbessern, manch andere können allerdings nur eine Umsatz­stei­gerung zur Kenntnis nehmen bei stagnierenden Erträgen. Was noch vor zwei Jahren anscheinend allein den äußeren Umständen geschuldet war, kristallisiert sich jetzt zum Großteil als hausgemachtes Problem heraus. Statt Mehrwert zu schaffen, findet Geldvernichtung in vielen Unternehmen bereits früh in der Wertschöpfungskette statt. Das kann man ändern. Die Unternehmen selbst und die darin agierenden Menschen können Gestaltungsspielräume viel besser nutzen, um in Zukunft trotz vieler externer Unwägbarkeiten zu bestehen.

Fragen aus dem stairAlltag

Statt Feuerlöschen, Gestaltungsspielräume nutzen

»Ich habe die Schnauze voll – auf jeden Euro Umsatz legen wir 20 Prozent drauf«

stairconsult: ... das ist die vernichtende Erkenntnis des Produktionsleiters eines mittelständischen Unternehmens. »Die Wirtschaft brummt, und wir verlieren Geld mit jedem Euro Umsatz.« Das verstehen viele Mitar­beiter nicht. Fatal ist dabei, dass sich der überwiegende Teil der Mitarbeiter abrackert, ohne nur ansatzweise den Erfolg der Schufterei zu sehen. Tägliches Feuerlöschen löst zwar ein akutes Problem, mit diesem wachsen jedoch fünf andere nach. »Eigentlich wird es immer schlimmer«, so das destruktive Resümee. »Wir sind Meister im Improvisieren«, sagen manche Mitarbeiter latent schuldbewusst, aber auch nicht ganz ohne Stolz. Bisher haben wir es immer hingekriegt, wobei gern übersehen wird, unter welchen Umständen und mit welchem Ergebnis. Der Kunde, der das Unternehmen knebelt, wird als Übeltäter identifiziert, oder man verweist auf branchenbedingte Schwächen. Der Dschungel der Abhängigkeiten ist undurchschaubar. Und dennoch ist die Akzeptanzschwelle der Belegschaft ausgereizt. Sie wollen etwas ändern – nur was?

Kaum ein Unternehmen wird vor dem Hintergrund der heutigen ...

Jetzt das ganze Magazin lesen

Interview

Es geht immer um eine Doppelstrategie

Friedrich Glasl

Organisationsentwickler und Konfliktmanager

Friedrich Glasl

Friedrich Glasl ist einer der renommiertesten Organisationsentwickler und Konfliktmanager und begleitete zahlreiche mittelständische Unternehmen und Konzerne aus fundamentalen Krisen heraus. Dazu veröffentlichte er zahlreiche Bücher. Für ihn ist klar, dass für Unternehmen, wenn sie sich in einem derart dynamischen Umfeld gesund in die Zukunft entwickeln wollen, Organisationsentwicklung unerlässlich ist.

stairconsult: Wir persönlich erleben trotz konjunkturellen Aufschwungs in vielerlei Hinsicht einen Riesendruck bei vielen Unternehmen, mit denen wir arbeiten. Und das ist ja der allgemeine Trend. Vor welchen Herausforderungen stehen die Unternehmen Ihrer Ansicht nach in Zukunft? Wie können sie mit diesem Druck umgehen?

Friedrich Glasl: Also simpel gesagt: Sie dürfen sich nicht erdrücken lassen. Problematisch ist es, nur zu reagieren und hinter den Ereignissen herzulaufen. Gerade jetzt ist noch mehr gefragt, proaktiv zu denken, zum Beispiel Zukunftsszenarien zu entwickeln. Das heißt: sich ein Bild zu machen, wo stehen wir jetzt, und wie ist es wohl in zwei oder in fünf Jahren? Unternehmen brauchen alternative Szenarien.

Kann man denn die Zukunft in dieser Weise planen?

Wir wissen wirklich nicht, was sein wird, aber um nicht unvorbereitet zu sein, wenn die Variante A, B oder C eintritt, sind Szenarien hilfreich. Für viele kam zum Beispiel die Bankenkrise völlig unerwartet, was faktisch gesehen Unsinn ist. Sie war eine der Optionen, und zwar eine der wahrscheinlichsten, aber man wusste nur nicht, wann sie eintreten wird. Ich plädiere also dafür, proaktiv zu antizipieren. Und zwar ganz gegen den Druck und Trend der besteht, sollten Unternehmen noch mehr mittel- und langfristig denken. Aber in Kombination mit dem, was sofort wirk­sam ist, unter Berücksichtigung einer vertretbaren mittel- bis langfristigen Perspektive.

Was muss also passieren, damit sich Unternehmen immer weiter in die Krise katapultieren?

Ich habe mich praktisch, aber auch theoretisch sehr stark mit Organisationsentwicklung in Krisen beschäftigt. Ich nenne das »Schlechtwetter-OE«. Und das sage ich aufgrund der schlechten Erfahrungen zum Beispiel in der Ölkrise 1974. Ich habe damals mit vielen Beratern in den Niederlanden die Probleme der Unternehmen nach turn-around-Beratungen reflektiert. Überall ist das gleiche Problem aufgetreten: Die Unternehmen waren nur darauf eingestellt, wie sie von heute nach morgen kommen. Und dann haben sie Ballast abgeworfen und damit auch oft ganz substanzielle Dinge. So hat sich das Schiff sozusagen über Wasser gehalten, aber es war völlig kurslos, also orientierungslos. Damit kommt man nicht aus der Krise. Natürlich muss man etwas tun, um gegen das Sinken zu agieren, eben sofort wirksame Dinge, Sofortmaßnahmen, die zu einer mittel- und langfristigen Perspektive passen müssen. Diese Doppelstrategie ist wichtig: die Verbindung von Sofortmaßnahmen mit einer mittelfristigen Entwicklungsstrategie.

Es gehört ja schon viel Bewusstsein dazu, die aktuellen Herausforderungen der Unternehmensentwicklung zu verstehen. Wir sehen, dass dafür oft kein Bewusstsein vorhanden ist. Was würden Sie empfehlen?

Jetzt das ganze Magazin lesen

Inhalt

stairMagazin