stairMagazin

ausgabe #015

Culture Change

Immer weiter bis zum Stillstand

Sind Unternehmen den Herausforderungen unserer Zeit aktuell noch gewachsen? Der Ruf nach einer zukunftsfähigen Arbeitswelt, die respektvollen Umgang miteinander gewährleistet, die Kooperation anstatt Abteilungsdenken ermöglicht und auch demotivierende Machtmechanismen auflöst, wird immer lauter.

Die Wirklichkeit in vielen Unternehmen sieht aber anders aus. Noch immer hält sich die Vorstellung bei vielen Unternehmenslenkern und Führungskräften beharrlich,
man könne im alten Stil weiter so arbeiten. Widerstand oder aber auch kritiklose Anpassung und Hörigkeit der Mitarbeiter weisen deutlich darauf hin, dass es in vielen Unternehmen dringend eines kulturellen Wandels bedarf.

Fragen aus dem stairAlltag

Nicht einschlafen!

Alle Welt spricht von anstehenden gravierenden Veränderungen zum Beispiel durch die Digitalisierung aber auch durch den Generationswandel, der uns alle heute schon betrifft. Weshalb zögern viele Unternehmen noch so stark, sich darauf auszurichten?

stairconsult: Ich denke, jedem Unternehmenslenker ist bewusst, dass es hier um einen Kulturwandel geht. Vor dem Hintergrund weitverbreiteter Managementmethoden, die stark auf Effizienz und Profit ausgerichtet sind, wird Kulturwandel eher noch mit weichen Faktoren in Verbindung gebracht, die man als zweit- oder drittrangig beurteilt. Erst müssen die Zahlen stimmen, dann können wir uns mit der Kultur beschäftigen. Ich glaube, dass diese Einstellung zwar aufgrund der bisherigen Denkgewohnheiten nachvollziehbar ist, sie wird deswegen aber nicht richtiger. Die Unternehmenskultur ist inzwischen einer der maßgeblichsten und zukunftsrelevantesten Erfolgsfaktoren überhaupt.

Stimmen denn die Managementmethoden nicht mehr? Man sieht doch, dass sie höchst profitabel sind. Der Wirtschaft geht es besser denn je. Warum sich also jetzt mit solch weichen Kulturthemen beschäftigen?

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Interview

Widerstand gegen besseres Wissen

Jörg Menno Harms

Vorsitzender des Aufsichtsrats Hewlett Packard GmbH

Jörg Menno Harms

Jörg Menno Harms ist vor zwei Jahren zum dritten Mal zum Vorsitzenden Aufsichtsrat der Hewlett Packard GmbH gewählt worden. Zuvor leitete er fast zehn Jahre die HP Deutschland als Vorsitzender der Geschäftsführung, nachdem er als Division Manager weltweite Geschäftsverantwortung innehatte. In seinen Anfangsjahren arbeitete der frisch diplomierte Ingenieur in der Entwicklung und Fertigung bei HP, bis er später leitende Aufgaben im Vertrieb und Marketing übernahm.

Harms ist mit verschiedenen Mandaten in der deutschen Wirtschaft und Wissenschaft engagiert, ist Mitbegründer von bwcon und des BITKOM, Vorsitzender der Initiative Zukunftsfähige Führung (IZF) e.V. und lehrt seit 25 Jahren als Honorarprofessor an der Universität Stuttgart. Seit 18 Jahren ist er Mitglied im Verwaltungsrat der Management Partner GmbH.

stairconsult: Es ist heute äußerst modern geworden, über Führung der Zukunft oder der Vergangenheit zu sprechen. Führung 4.0 ist in aller Munde. Wenn ich mir nun Ihre über 50-jährige Erfahrung und nicht zuletzt das betrachte, was Sie in Bezug auf zukunftsfähige Führung heute noch vertreten, dann scheint das im Kern kein so neues Thema zu sein.

Menno Harms: Das ist genau der Punkt, warum ich mich aufgemacht habe, meinen Kollegen und Kolleginnen mit Führungsverantwortung sowohl in der Wirtschaft als auch in der Zivilgesellschaft mit einigen Vorträgen einen Spiegel vorzuhalten. In Magazinen und von zahlreichen Experten wird beschrieben, was in den nächsten Jahrzehnten an Führungsqualitäten erforderlich sein wird. Man muss sich schon überlegen: Was ist da eigentlich so neu dran? Eigentlich nicht viel, abgesehen von ein paar Spezialitäten, zum Beispiel die vernetzte Digitalisierung betreffend. Aber Offenheit, Kreativität, Ethik, Gestaltungsfreude, Changemanagement, vertrauenswürdige Unternehmenskultur, all das kennen wir seit Jahrzehnten.

In allen Business Schools und Hochschulen wird das weltweit gelehrt, aber nur teilweise umgesetzt. Wir haben kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem. Und das ist fatal.

Woran hakt es bei der Umsetzung?

Menno Harms: Es gibt Untersuchungen unter circa 1.000 deutschen Führungskräften und entsprechende Ergebnisse des Bundesministeriums für Arbeit aus dem Jahr 2014. Führende wurden gefragt, wie denn eine moderne Führungskultur aussehen sollte und was sie selbst verändern würden. Sie haben durchaus gewusst, was eine zeitgemäße Führungskultur wäre. Auf die Frage, warum sie diese nicht umsetzen würden, war die Antwort: Wir wagen es nicht ...

Und es gibt weitere Beobachtungen jenseits dieser Studie, die uns veranlasst haben, vor vier Jahren die Initiative Zukunftsfähige Führung (IZF) e.V. in Stuttgart zu gründen. Unser Ziel ist, Führende in ihrem Führungsverhalten zu sensibilisieren. Führungskräfte sollten öfter refl ektieren, ob ihr eigenes aktuelles Führungsverhalten eigentlich noch angemessen ist.

Eine Frage stellt sich auch, ob ein Führungsverhalten sich unter veränderten Bedingungen deutlich wandelt oder ob Führungskräfte einfach in ihrer Komfortzone bleiben. Wenn Führungskräfte trotz neuer Umstände in ihren gewohnten Mustern verharren, erhalten sie den »Stempel« eines Verwalters. Das hat dann mit zukunftsfähiger Führung nicht viel zu tun. Wie erreicht man aber, dass angesichts einer deutlich veränderten Situation, Menschen auch ihr Führungsverhalten anpassen? Dieser Frage muss man sich stellen.

Schauen wir uns die Organisationsformen an. Es wird viel über flachere Hierarchien gesprochen. Wir brauchen weniger Management und weniger Führung im alten Stil. Dafür mehr Selbstführung, Selbstorganisation. Ich denke, das hängt sehr vom Reifegrad des Unternehmens ab. Passt denn der Anspruch an Kreativität, Gestaltungsmöglichkeit, Offenheit, Transparenz und so weiter überhaupt zu den Organisationsformen, die wir in den Unternehmen vorfinden?

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